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Aquaristik und Reisen

Sambia 2002

Teil 2: Kalambo – Ein Fall für Aquarianer


Der Name Kalambo steht in dreifacher Hinsicht für Dinge, die jeden Freund von Tanganjikasee-Cichliden faszinieren dürften: Sambia und hier eben Kalambo Lodge zählt zu den wenigen Stellen, an denen es relativ gefahr- und problemlos möglich ist, an den Tanganjikasee zu reisen. Rift Valley Tropicals, die Fischfang- und Exportstation von Toby Veall, von der aus Tanganjikasee-Cichliden in alle Welt verschickt werden, befindet sich unmittelbar bei Kalambo Lodge, und bietet einen Einblick in die Arbeitsweise der Zierfischfänger und der Abläufe beim Export. Nicht zuletzt aber steht der Name Kalambo für den Kalambo River, der nur wenige Kilometer nördlich der Lodge die Grenze zu Tansania bildet, und die Kalambo Falls, die in einer Tageswanderung erreicht werden können, ein imposanter Wasserfall, der als der zweithöchste des afrikanischen Kontinents gilt.

Leben „am Ende der Welt“

Kalambo Lodge ist von Mpulungu, dem größten Ort Sambias am Südende des Tanganjikasees mit dem Boot in etwa einer Stunde Fahrt quer über den See zu erreichen. Von der Landseite ist die Lodge nur zu Fuß zugänglich, es führen einige Pfade zu den benachbarten Dörfern, aus denen auch die Arbeitskräfte stammen, die dort und in der Exportstation benötigt werden. Neben dem Wohnhaus des Eigentümers gehören zur Lodge noch ein Hauptgebäude mit der Küche und dem Freisitz, wo die Mahlzeiten eingenommen werden und mit der Bar, beide mit Blick auf den See, sowie fünf "Chalets“. Dies sind aus Betonsteinen errichtete, mit Ried gedeckte Bungalows oder Hütten mit jeweils ein oder zwei Räumen, einfach gebaut und eingerichtet, aber mit Dusche, Toilette und vor allem bequemen Betten mit Moskitonetzen, also eigentlich mit allem was man benötigt. Das Interesse an Fünf-Sterne-Komfort sinkt schnell, wenn man die zwanzig Meter vom kleinen Balkon seines Chalets hinunter zum Seeufer geht und einen Blick ins Wasser wirft. Dort schwimmen die Fische, denen man sein ganzes Interesse widmet, zu Dutzenden unmittelbar vor einem, und selbst wenn man in typischer einheimischer Manier sein abendliches oder morgendliches Bad im See selbst nimmt, verlieren sie nicht ihre Scheu. Eine großen Unterschied macht es sowieso nicht, ob man im See badet, oder unter die Dusche geht, den das gesamte Brauchwasser für die Lodge und für die Fischanlage wird jeden Vormittag, wenn der Generator läuft und für ein bis zwei Stunden die gesamte Anlage mit Strom versorgt, in einen großen Tank am Berg oberhalb gepumpt, um dann von dort entweder in die Wasserleitungen der Lodge oder beim Wasserwechsel in die zahlreichen Behälter der Exportstation zu fließen.

Die Reinigungs- und Erfrischungsfunktion eines Bades wird aber schnell unwichtig, wenn man erst einmal den Kopf unter Wasser gesteckt hat, und dann dauert solch ein Bad schnell einmal ein bis zwei Stunden, in denen man Fische ohne Ende beobachten kann.

Die Unterwasserwelt von Tupulungu

Wer eine Tauchausbildung und die entsprechende Ausrüstung hat, wartet ungeduldig, bis der Kompressor, der vom Strom des Generators abhängig ist, die ersten Flaschen mit Pressluft gefüllt hat, um sich dann in die Fluten zu stürzen und erst wieder aufzutauchen, wenn der Luftvorrat sich bedrohlich dem Ende zuneigt. Der mit Felsen übersäte Küstenstreifen unmittelbar vor Kalambo Lodge und mehrere Hundert Meter rechts und links davon bietet für Taucher bereits alles, was die Reise zum Tanganjikasee lohnenswert macht. Das Gleiche gilt natürlich für Schnorchler, die sich allerdings auf flachere Bereiche beschränken müssen und naturgemäß die Fische aus einer anderen, im Grunde nur geringfügig weniger interessanten Perspektive beobachten. Das Erlebnis allerdings "Auge in Auge“ mit den Tropheus und Neolamprologus zu schwimmen, sich mitten in einem Schwarm von Tausenden von Kärpflingscichliden zu bewegen, prachtvoll balzende Männchen ebenso zum Greifen nahe wie Weibchen mit prall gefülltem Maul, bei denen durch die straff gespannte Kehlhaut die Körperumrisse der Jungfische im Maul zu erkennen sind, das sind Erlebnisse, die dem Taucher vorbehalten bleiben. Wenn man, so wie das bei mir der Fall war, allein dafür das Tauchen erlernt hat, weiß man in solchen Momenten, dass es jede Mühe, Kosten und Einsatz wert war, um die Tiere, für deren Lebensweise man sich so interessiert, so "schuppennah“ beobachten, erleben und bewundern zu können. Selbst wenn man die Farbenpracht, die Artenvielfalt und die klaren Sichtverhältnisse der Korallenriffe kennen gelernt hat, erkennt man schnell, dass es in Süßgewässern nur selten noch einmal solch vielfältige und aufschlussreiche Beobachtungsmöglichkeiten geben kann wie in den Felsenriffen des Tanganjikasees.

                                                                                                 Rift Valley Tropicals

Wenn auch die Zahl und die Dauer von Tauchgängen durch die körperliche Anstrengung und durch die vorhandene Anzahl gefüllter Pressluftflaschen eingeschränkt wird, so kennt doch der Wunsch sich mit den Cichliden des Tanganjikasees zu beschäftigen, auf einer solchen Reise keine Grenzen, und so ist es nicht verwunderlich, dass alle Mitreisenden unserer "Cichlid Safari 2002“ immer wieder ausführliche Besichtigungsgänge durch die Hälterungs- und Zuchtanlage von Rift Valley Tropicals machten. Über hundert betonierte Becken, ein Teil davon zum Schutz gegen Sonne überdacht, in Größen von 1 m2 bis zu annähernd 100 m2 bei einem Wasserstand zwischen 50 und 100 cm enthielten ständig eine riesige Auswahl all der Fische, die uns "lieb und teuer“ sind. Nach oben sind die Becken zum Schutz gegen fischfressende Vögel mit Netzen gesichert, nach außen ist die gesamte Anlage mit Stacheldraht und einem, mangels Strom aber eher symbolisch gemeinten elektrischen Zaun umgeben. Diebstahlsgefahr geht nach Auskunft von Toby Veall, dem Besitzer von Rift Valley Tropicals selbst hier, "am Ende der Welt“, nicht nur von hungrigen Beutegreifern aus, sondern auch von neidischen Geschäftskonkurrenten, die nicht davor zurückschrecken, besonders wertvolle Exemplare aus einer solchen Anlage zu stehlen, oder stehlen zu lassen, um sie dann selbst ins Ausland zu verkaufen.

Wandert man als Aquarianer durch diese Anlage, dann wird man gezwungen, umzudenken und dazu zu lernen. Viele der Becken scheinen optisch in einem Zustand zu sein, den man bei uns in Aquariengeschäften oder –anlagen auf einen Mangel an Pflege zurück führen würde. Die Einrichtung ist eher karg, dafür sind die vorhandenen Steine und Boden und Wände stark veralgt, oft zusätzlich mit Mulm bedeckt. Erst wenn man sich klar macht, dass die kleinsten dieser Betonbecken so groß sind wie bei uns "normale“ Cichlidenaquarien, und dass die größten annähernd den hundertfachen Inhalt haben, wenn man weiterhin bedenkt, dass hier täglich mehr als fünfzig Prozent des Wassers gewechselt werden und das Wasser aus dem Tanganjikasee selbst stammt, wird deutlich, dass es sich hier keinesfalls um eine Form von Vernachlässigung handelt. Hat man dann die Unterwasserwelt des Sees in Augenschein genommen und festgestellt, dass Detritusschichten und starker Algenbewuchs geradezu typisch sind für die idealen Lebensumstände von Tanganjikasee-Cichliden, begreift man, dass unsere Versuche, die Unterwasserlandschaft dieses Biotops im Aquarium nachzubilden, eher eine Idealisierung darstellen als eine Annäherung an die Realität. Die Zucht-, Aufzucht- und Hälterungsbecken in der Anlage in Kalambo Lodge bieten dagegen für den Betrachter vom ästhetischen Gesichtspunkt nicht optimale, für die Fische aber der Natur ähnliche Lebensbedingungen.

Auffällig in der Anlage von Rift Valley Tropicals ist der hohe Anteil (60 bis 70 %) an Tropheus- Arten und –standortvarianten, der nicht den natürlichen Zahlenverhältnissen im Biotop entspricht, sondern ganz offensichtlich von den besonders guten Absatzmöglichkeiten bestimmt ist. Viele dieser Varianten werden hier in Betonbecken von 5 mal 10 m Länge gehalten und gezüchtet, sind also so genannte "Seenachzuchten“. In kleineren Becken finden sich viele Zuchtpaare oder –trios von Neolamprologus oder Julidochromis-Arten. In den meisten Fällen handelt es sich um neuere Standortvarianten, die in den letzten Jahren gut zu verkaufen waren, z.B. Julidochromis transcriptus "gombi“ oder eine Standortform von Neolamprologus buescheri. N. cylindricus ist eine eher schon recht lange bekannte Art, die sich hier findet, N. helianthus dagegen ist noch recht wenig populär. Nachzuchten finden sich auch von Petrochromis trewavasae, dem wohl attraktivsten Fisch aus dieser Gattung, vor allem aber immer wieder von verschiedenen Arten und Standortvarianten aus der Gattung Tropheus, vom Tropheus "maswa“ von Halembe bis zum Tropheus moorii "Golden Kalambo“, einer besonders seltenen Farbmorphe, deren Nachzucht aber noch nicht gelungen ist. Auffällig finde ich besonders vier oder fünf große Becken, in denen jeweils etw50 ausgewachsenen Exemplare von Altolamprogus calvus oder A. compressiceps schwimmen, zwei Arten, die in Deutschland inzwischen in großen Stückzahlen als Nachzuchten angeboten werden und für die als Wildfänge bei uns wenig Absatzmöglichkeiten bestehen dürften. In Gesprächen mit den amerikanischen Cichlidenfreunden wird immer wieder deutlich, dass dort durchaus immer noch ein größerer Markt für Arten und Varianten besteht, dass insgesamt das aquaristische Interesse an Tanganjikasee-Cichliden deutlich größer ist als in Deutschland, wo andere Fischfamilien oder -arten als Modeerscheinungen inzwischen erheblich gefragter sind.

Der Abschluss des Rundgangs durch die Exportanlage führt unweigerlich immer wieder zu dem etwa fünf Meter im Durchmesser großen Gehege, in dem 6 Krokodile von etwa 100 bis 130 cm Länge ihr Dasein fristen. Im Gegensatz zu den Fischen waren sie wirklich nur vorhanden, um zur Schau gestellt, und um später aufgegessen zu werden.



Kalambo Falls

Der Kalambo River, der Grenzfluss zwischen Tansania und Sambia, der der Lodge an der Isanga Bay ihren Namen gab, fließt einige Kilometer nördlich davon in den Tanganjikasee. Hier schwemmt der Fluss, insbesondere während der Regenzeit, große Mengen an Sedimenten in den See, und sorgt so zum Leidwesen der Taucher für schlechte Sichtverhältnisse. Einige Kilometer flussaufwärts sind die Kalambo Falls zu finden, die zwar dem Aquarianer keine direkt mit dem Hobby verbundenen Attraktionen bieten, als imposantes Naturschauspiel aber die Anstrengungen wert sind, die der Weg von der Lodge bergaufwärts dorthin erfordert. Frühaufsteher sind bei einer solchen Unternehmung im Vorteil, denn wer zu spät startet, muss einen guten Teil des Weges in der brütenden Mittagshitze zurück legen. Nach 90 Minuten Tauchen und weiteren 2 Stunden Schnorcheln am Vortag zählt aber kaum jemand zu den Frühaufstehern, und das bedeutet, dass man mit den eigenen Kräften und dem mitgeführten Wasservorrat sorgfältig haushalten muss.

Die ersten 500 Meter des Weges sind die schwersten, denn es geht steil aufwärts auf Pfaden, die eher ausgetrockneten Bachbetten ähneln, was sie wahrscheinlich in der Regenzeit auch sind. Überhaupt ist der Weg, auch später, eher wegen des zu überwindenden Höhenunterschieds und des schlechten Zustands kraftraubend als wegen der zurückgelegten Entfernung. Auch die Jüngeren unter uns und sogar die Einheimischen, die uns führen, sind dankbar für jede Pause, die wir anfangs alle fünf Minuten, später in größeren Abständen einlegen. Als der Weg etwas weniger steil wird, führt er uns an kleinen Dörfern vorbei, durch Kassava-Plantagen und immer wieder sehen wir große schwarze Flächen, wo alles Strauchwerk völlig verbrannt ist und von etwas größeren Bäumen nur verkohlte Stümpfe zurück geblieben sind. Wir kommen an einem kleinen Bach vorbei, in dem an einer Stelle große Mengen von Kassava-Wurzeln eingeweicht werden, und ein paar Meter weiter Wäsche gewaschen wird. Der Zustand des Wassers ist entsprechend, und niemand von uns kommt auf die Idee, anzuhalten und hier nach Fischen zu suchen.

Wenn wir an einzelnen Hütten oder Dörfern vorbei kommen oder einzelne Menschen auf dem Pfad treffen, fällt mir auf, dass sie entweder extrem scheu oder aber besonders forsch erscheinen. Ein Mann mit seiner Familie traut sich nicht näher als 10 bis 12 Meter an unsere Gruppe heran, bis ich den Kindern ein paar Bonbons anbiete, aber auch danach ziehen sich alle schnell wieder zurück. Eine erwachsene Frau, der ich vier oder fünf der Bonbons gebe, verlangt dagegen gleich noch mehr, "für ihren Mann zu Hause“. Als wir sie fotografieren wollen, hält sie zuerst die Hand auf, weil sie dafür bezahlt werden möchte.


Die Strecke ist angeblich gar nicht besonders lang, es sollen nur sechs Kilometer sein, aber damit ist wohl Luftlinie gemeint und wir gehen im Zickzack. Entsprechend werden die Pausen immer häufiger und alle trinken immer mehr, was ja eigentlich richtig ist, aber unser mitgeführter Wasservorrat ist begrenzt. Der Weg erscheint uns immer länger und die letzten 300 m geht es wieder steil abwärts, was fast ebenso anstrengend ist wie der Aufstieg. Aber dann werden wir mit einem grandiosen Anblick belohnt. Von unserem Aussichtspunkt können wir die gesamte Höhe der Fälle, fast 220 m, übersehen. Zur anderen Seite hin erstreckt sich das unglaubliche Tal, das der Kalambo im Laufe der Jahrmillionen in den Fels geschnitten hat. Die Hänge sind fast senkrecht abfallend und trotzdem in weiten Bereichen dicht bewachsen. Den besten Blick hat man von ungeschützten Kanten, an denen es ebenso fast 200m senkrecht in die Tiefe geht. Hier zeigen die Wanderer deutlich unterschiedliches Verhalten, während die einen sich dicht an den Rand stellen, als sei dies gar nichts, nähern sich andere (darunter auch ich) nur vorsichtig und treten schnell wieder den Rückzug an. Einige von uns gehen auf einem schmalen Pfad noch einmal näher zu einem näher am Wasserfall gelegenen Aussichtspunkt, wo man fast unmittelbar an der Kante des Falls ist, aber keinen so günstigen Gesamtüberblick mehr hat. Der Blick nach unten auf den feinen Sprühnebel der dort aufsteigt, wo das Wasser mit der ganzen Macht seines tiefen Falls auf die Oberfläche eines kleinen Beckens aufprallt, und auf dessen mit wilden Bananenstauden, mit Elefantenohr und Farnen bewachsene Ufer, ist aber von hier genau so beeindruckend.

Was uns an diesem Tag verborgen bleibt, ist eine andere beeindruckende Tatsache über die Kalambo Falls. Der Bereich in der Nähe des Falls ist berühmt für prähistorische Funde, Schabewerkzeuge, Handäxte und einen durchbohrten Stein, aus der mittleren und späten Steinzeit. Kalambo Falls ist, nach Expertenmeinung, eine einzigartige Fundstelle für das Studium der technischen Entwicklung der prähistorischen Kulturen in den südlichen Tropen von vor 6000 Jahren bis heute.

Rückwege sind bekanntlich, subjektiv empfunden, immer kürzer, aber Abstiege können genau so anstrengend sein wie Aufstiege, und der inzwischen quälende Durst bringt alle dazu, noch schneller zu gehen. Das letzte, steil abfallende Stück der Strecke gibt allen den Rest, und die meisten benötigen ein bis zwei Liter Wasser, die sie in kurzer Zeit trinken, um ihren ausgetrockneten Körper wieder in einen stabilen Zustand zu bringen. Später bringt dann ein kühles Bier auch die strapazierte Psyche wieder ins Gleichgewicht.

Später fragte mich ein Mitreisender erstaunt, wieso ich denn diesen Weg zu Kalambo Falls noch einmal mitgemacht hätte, ich hätte von meiner Reise vor sechs Jahren doch gewusst, welche Strapazen uns erwarteten. Aber genau dann wurde mir deutlich, dass es mindestens zwei Gründe gab, warum diese Wanderung die Anstrengung wert war. Einerseits machten die Menschen, die wir unterwegs trafen, ihre Hütten und Felder als Ausdruck ihrer Lebensweise einen unauslöschlichen Eindruck auf mich. Andererseits war das unvergessliche Naturschauspiel der Kalambo Falls und ihrer unmittelbaren Umgebung das wohl eindrucksvollste nicht-aquaristische Erlebnis dieser Reise.

Sambia 2002, Teil 3