callipterus.de

Aquaristik und Reisen

Müssen Fische trinken?

Der Flüssigkeitshaushalt der Fische

Wenn man bedenkt, welch unterschiedliche Eigenschaften Süßwasser, Salz- und Brackwasser haben, vor allem was den Gehalt an gelösten Salzen betrifft, versteht man leicht, dass Fische entweder sehr anpassungsfähig sein müssen, oder aber sich nur in einem der drei Lebensbereiche aufhalten und wohlfühlen können. Der Salzgehalt in den Meeren der Erde liegt zwischen 10 und 40 %o (Promille!) mit den häufigsten Werten zwischen 30 und 35 %o, Süßwasser hat im Extremfall einen so geringen Salzgehalt, dass er kaum nachweisbar ist. Die Konzentration der Salze in den Körperflüssigkeiten der Fische weicht hiervon fast immer erheblich ab, und es stellt sich die Frage, wie sie mit diesem Problem fertig werden.

Eine andere Form von Wasserwechsel

Zwischen dem Körper eines Fisches und dem ihn umgebenden Wasser findet ein ständiger Austausch von Flüssigkeit und Salzen statt. Ziel dabei ist es immer, im Fischkörper einen Zustand herzustellen und dauerhaft zu erhalten wie er für die Gesunderhaltung des Fisches notwendig ist, also dafür zu sorgen, dass die richtige Menge Wasser mit der richtigen Menge an notwendigen gelösten Stoffen im Körper vorhanden ist und schädliche Stoffe entfernt werden. Wie andere Lebewesen auch, müssen Fische ihre Stoffwechselendprodukte (z.B. Harnstoff und Ammoniak) ausscheiden, da sie sonst von ihnen vergiftet würden. Anders als viele andere Lebewesen tun Fische dies nicht nur mit Hilfe des Urins, den sie von sich geben, sondern scheiden auch über ihre Kiemen große Mengen an Schadstoffen aus, die dort an das vorbeiströmende Wasser abgegeben werden. Andererseits müssen die Fische aber auch andere Stoffe und auch Wasser aufnehmen.

Das Problem Osmose

Lösliche Stoffe verteilen sich durch den Vorgang der Diffusion allmählich. Viele Oberflächen (genauer: die Zellmembranen dieser Oberflächen) lassen zwar Wasser durch, nicht aber die darin gelösten Salze und andere Stoffe. Befinden sich auf den den beiden Seiten solcher semi-permeablen (“halb-durchlässigen”) Membranen Flüssigkeiten mit unterschiedlichen Gehalten an gelösten Stoffen, so fließt so lange Wasser von der Seite mit niedrigem Salzgehalt zu der Seite mit hohem Salzgehalt, bis die Konzentration der Stoffe auf beiden Seiten ausgeglichen ist (“Osmose”). Da zwischen dem Salzgehalt im Körper der Fische und dem Salzgehalt im sie umgebenden Wasser fast immer ein erheblicher Unterschied besteht, fließt ein ständiger Strom von Wasser in den Fischkörper ein oder aus ihm heraus. Dies geschieht nur in geringem Maße über die Außenfläche des Körpers, der meist mit Schuppen oder einer ledrigen Haut bedeckt ist. Hauptsächlich geschieht dieser Austausch über die Oberfläche der Mundhöhle und über die Kiemen.

Welche Fische müssen trinken?

Wann aber fließt Wasser in den Fischkörper hinein, wann heraus? Die Konzentration an gelösten Stoffen in den Zellen eines Fisches ist deutlich höher als die Salzkonzentration im Süßwasser, liegt aber ebenso deutlich unter der des Meerwassers.

Süßwasser enthält eine sehr geringe Menge an gelösten Salzen, der Körper der Fische deutlich mehr. Entsprechend fließt ständig Wasser von außen in die Zellen des Fisches und dieser würde unweigerlich “platzen”, wenn nicht ständig Wasser in größeren Mengen ausgeschieden würde. Süßwasserfische trinken also nicht, im Gegenteil, sie müssen ununterbrochen Wasser absondern. Dies geschieht vor allem durch eine enorm erhöhte Produktion von stark verdünntem Harn. Die Nieren sind dabei also für die Ausscheidung des überschüssigen Wassers wichtiger als für die Abgabe von Schadstoffen. Gleichzeitig nehmen die Süßwasserfische über ihre Kiemen notwendige Salze auf, was auch noch weiter dazu beiträgt, die notwendige hohe Salzkonzentration im Körper zu erhalten.

Meeresfische trinken Wasser

Der Salzgehalt des Meerwassers ist mehr als doppelt so hoch wie die Konzentration an Stoffen in den Zellen der Meeresfische. Entsprechend fließt ständig Wasser aus dem Körper der Fische heraus in das Wasser, also vom Ort der niedrigeren Konzentration zu dem mit der höheren um ein ausgeglichenes Verhältnis herzustellen. So wird den Fischen Wasser gewissermaßen aus dem Körper gesaugt. Sie würden Gefahr laufen, “auszutrocknen”, wenn sie nicht regelmäßig Wasser trinken würden. Da das Wasser, das sie trinken, aber salzhaltig ist, nützt dies nur weil sie gleichzeitig über ihre Kiemen erhebliche Mengen an Salzen wieder ausscheiden. Auch die Nieren tragen bei den Knochenfischen des Meeres erheblich zur Abgabe von Salzen bei, die Urin (also Wasser) -menge, die sie ausscheiden, ist dagegen gering. Wenn Meeresfische also Wasser aufnehmen, und gleichzeitig Salze abgeben, wirken sie dem ständigen Wasserentzug entgegen, der durch das Konzentrationsgefälle zwischen ihrem Körper und dem Meerwasser droht.

Setzt man Meeresfische von einem Aquarium in ein anderes mit unterschiedlicher Salzkonzentration, so benötigt der Fischkörper einige Zeit, um sich an die veränderten osmotischen Verhältnisse anzupassen. Nicht alle, aber viele Fischarten erleiden erheblichen Schaden, wenn man ein solchen Wechsel nicht langsam genug vollzieht. Dies geschieht am besten, indem man Wasser aus dem neu zu beziehenden Aquarium tröpfchenweise in den Transportbehälter zulaufen lässt.

Rochen und Haie sind anders

Knorpelfische, also Rochen und Haie regulieren ihre Wasser- und Salzbalance anders. Während die übrigen Fischarten Harnstoff als schädliches Endprodukt ihres Stoffwechsels so schnell wie möglich ausscheiden, halten Knorpelfische diesen Stoff durch eine spezielle Membran auf ihren Kiemen im Körper zurück. Dadurch erhöht sich die Konzentration an gelösten Stoffen in ihren Körperflüssigkeiten dermaßen, dass sie oberhalb der Konzentration im Meerwasser liegt. Knorpelfische haben damit also ein ähnliches Problem wie Süßwasserfische, nämlich das in ihren Körper einströmende, überschüssige Wasser loszuwerden.

Wanderer zwischen den Gewässern

Besonders kompliziert stellen sich diese Regulationsmechanismen natürlich bei Fischen dar, die entweder im Verlaufe ihres Lebens von Meer ins Süßwasser wandern (“anadrome” Fische), oder umgekehrt (“katadrome” Fische). Eine extreme Unempfindlichkeit gegenüber diesen Einflüssen müssen solche Arten entwickelt haben, die dauerhaft im Brackwasser, also z.B. in Flussmündungsbereichen leben. Sie durchkreuzen möglicherweise innerhalb von nur ein paar hundert Metern Bereiche, in denen ein völlig unterschiedlicher Salzgehalt herrscht und zeigen keinerlei negative Reaktionen auf diese Situation, die ihren Körper extrem belastet.