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Vom  Alter unserer Aquarienfische

Wer einmal die Betroffenheit erlebt hat, die der Tod eines Aquarienfischs in einer Familie besonders dann auslösen kann, wenn es sich um ein größeres Tier handelte, das lange Jahre gepflegt wurde, der weiß, dass die Beziehung der Menschen zu ihren Aquarienfischen auch sehr stark von Gefühlen mit geprägt wird. Daher ist es eigentlich erstaunlich, dass wir nicht mehr wissen darüber, welches Alter Aquarienfische wirklich erreichen. Informationen darüber erhält man meist eher nebenbei in Gesprächen oder als Randbemerkung in einem Bericht über eine Fischart. Einem Aquarianer bietet sein Hobby vielfältige Möglichkeiten, die Lebensäußerungen seiner Pfleglinge zu studieren. Ganz besondere Freude bereitet es dabei immer wieder zu beobachten, wie neues Leben entsteht, wie Eier gelegt werden, aus denen Jungfische schlüpfen oder wie lebendgebärende Fische ihre Jungen zur Welt bringen. Für jeden Aquarianer knüpfen sich an solche Momente besonders schöne Erinnerungen. Das gilt auch für die Beobachtungen, die wir machen können, wenn im Laufe der Monate oder Jahre aus millimetergroßen Winzlingen ausgewachsene Fische von 10, 20 oder noch mehr Zentimetern werden. Dabei vergessen wir leicht, dass zum natürlichen Kreislauf des Lebens auch  der Tod unweigerlich dazu gehört, und dass dies auch für unsere Aquarienfische gilt.

Wie alt wird ein Fisch?

Während wir zahllose Berichte über die Lebensweisen und das Verhalten unserer Aquarienfische finden können, ist es schwer, Angaben darüber zu erhalten, wie alt Fische im Aquarium oder in freier Natur werden. Dies liegt sicherlich zum einen an der Scheu der Aquarianer, über den Tod ihrer Pfleglinge zu berichten. Zum anderen gibt es eine Reihe praktischer Gründe, die es auch sehr schwer machen, genau nachzuhalten, wie alt eine bestimmter Fisch ist, und welches Alter unsere Tiere generell erreichen. Wenn wir Jungfische erhalten, erfahren wir über ihr genaues Alter meist nicht viel, und ebenso werden oft größere Tiere weitergegeben, ohne dass ein Aquarianer den anderen über deren Alter informiert. Dass wir über das Alter tropischer Fische in ihrem natürlichen Lebensraum noch viel weniger wissen können, ist natürlich ganz logisch.

Wir sind also darauf angewiesen, dass einzelne Aquarianer Beobachtungen und Aufzeichnungen zum Alter ihrer Fische machen und in Gesprächen und Berichten weitergeben und vielleicht sogar sammeln. Wenn wir dann auf diese Weise erfahren, dass bei einem Aquarianer ein Feuerschwanz (Epalzeorhynchus bicolor) beinahe 20 Jahre alt geworden ist, wissen wir aber noch lange nicht, ob dies auch das Höchstalter ist, das diese Art erreichen kann. Ebenso bleibt dies auch unklar, solange ein bestimmter Fisch, von dessen Alter wir erfahren, noch am Leben ist. Die Angaben, die wir über das Alter unserer Fische erfahren, sind also meist sehr ungenau und oft auch nicht gut abgesichert. Trotzdem wird das Thema unter Aquarianern immer wieder interessiert und engagiert diskutiert, wenn erst einmal das Gespräch darauf kommt.

Todesursachen

Der Tod eines Fisches kann sowohl im Aquarium als auch im natürlichen Lebensraum sehr unterschiedliche Ursachen haben. Entsprechend kann sich die Lebensdauer sehr unterscheiden. Interessant ist für unsere Fragestellung das Alter, das Fische erreichen, wenn sie einen natürlichen Tod, also an Altersschwäche, sterben. Sehr viele Tiere sterben aber schon lange vorher, entweder als Opfer von Raubfischen, an Verletzungen, die ihnen zugefügt werden, oder an schädlichen Einflüssen aus ihrer Umwelt. Dies könnten z.B. zu hohe oder zu niedrige Wassertemperaturen sein oder andere schädliche Veränderungen der Wasserwerte oder aber auch Schadstoffe im Wasser. Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, dass im natürlichen Lebensraum  nur ein geringer Bruchteil der Fische, die aus einem Gelege schlüpfen, tatsächlich die Geschlechtsreife erreicht und sich fortpflanzt. Unter natürlichen Bedingungen werden überwiegend nur Raubfische und von ihnen auch nur wenige Einzelexemplare so lange leben, dass sie eines natürlichen Todes sterben.

Im Aquarium ist alles anders

Unter Aquarienbedingungen fallen die meisten Ursachen für einen vorzeitigen Tod der Fische weg. Der Aquarianer bewahrt seine Pfleglinge so weit wie er das schafft, davor, von größeren Fischen gefressen zu werden und er bietet ihnen Lebensbedingungen, unter denen sie meist sehr viel älter werden können als in freier Natur. Wir müssen sogar davon ausgehen, dass viele der Aquarienfische, die dennoch vorzeitig sterben, unter den Folgen zu gut gemeinter Pflege gelitten haben, dass z.B. durch zu starke Fütterung ihre Verdauungsorgane geschädigt worden sind. Trotzdem ist es sicherlich richtig, festzustellen, dass Fische derselben Art im Aquarium bei art- und sachgerechter Pflege im Durchschnitt älter werden als in der freien Natur, und dass in menschlicher Obhut wahrscheinlich auch mehr Fische ihre natürliche Lebensdauer voll ausschöpfen.

Die Lebensbedingungen, die im natürlichen Lebensraum tropischer Fische herrschen, sorgen nicht selten dafür, dass es zum Massensterben kommt und unzählige Fische lange vor dem Erreichen ihrer möglichen Lebensdauer umkommen. Extreme Trockenperioden oder regelmäßig wiederkehrende Trockenzeiten können die Gewässer manchmal derart trocken fallen  lassen, dass es in den Resttümpeln mehr Fische als Wasser zu geben scheint. Im Tanganjikasee bringen in großen Abständen Wasserumwälzungen, die durch ungewöhnliche, aber natürliche Umweltbedingungen entstehen, große Mengen an Wasser an die Oberfläche, das Giftstoffe enthält, aber keinen Sauerstoff mehr. Die Folge ist, dass Zehntausende von Fischen den vorzeitigen, Tod finden.

Größer = Älter?

Wir wissen von Kaltwasserfischen, dass sie, allerdings auch nur im Ausnahmefall, 70 bis 80 Jahre alt werden können. Volkstümliche Überlieferung schreibt zwar manchmal großen Einzelexemplaren wie Hechten oder Welsen noch ein weitaus höheres Alter zu, solche Angaben sind jedoch nicht belegt und müssen bezweifelt werden. Solch eine ungewöhnliche Lebensdauer erreichen unsere Aquarienfische nicht, aber auch unter ihnen sind Arten, die über 20 Jahre alt werden.

Für den Aquarianer stellt sich die Frage, ob das Alter, das die typischen Aquarienfischarten erreichen können, möglicherweise davon abhängt, zu welcher Familie sie gehören, ob es also besonders langlebige unter ihnen gibt. Oder ob vielleicht die Größe ein Faktor ist, der auf die Langlebigkeit einen Einfluss hat, ob also möglicherweise größere Fische länger leben, und kleinere Arten von vornherein eine geringere Lebenserwartung haben.

Insgesamt scheint es tatsächlich eine Tendenz dahin zu geben, dass größere Fische ein höheres Lebensalter erreichen als kleinere. Man muss sich allerdings bewusst machen, dass es wirklich nur wenig umfangreiche Beobachtungen sind, auf denen solche Spekulationen beruhen, und dass es, wie immer, zahlreiche „Ausnahmen von der Regel" gibt. Viele Killifische, deren Lebenserwartung von 6 Monaten bis etwa 3 Jahre reicht, werden auch nur 5 bis 7 cm lang. Andererseits werden aber Lebendgebärende Zahnkarpfen, also Guppys, Platys, Mollys und Schwertträger, die ähnliche Maße erreichen, oft deutlich älter, nämlich 4 bis 5, im Ausnahmefall auch 7 bis 8 Jahre.

Bei Schmerlen wird besonders deutlich, dass Größe nicht der allein entscheidende Faktor sein kann, denn während die Zwergschmerle oder Schachbrettschmerle, Botia sidthimunki, mindestens 15 Jahre alt aber nur etwa 4 cm lang werden kann, erreicht die Prachtschmerle, Botia macracanthus mit ihren 30 cm Länge auch „nur“ 22 Jahre.  

Werden Welse älter?

Auch für die Möglichkeit, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Fischfamilie eine längere oder kürzere Lebensdauer wahrscheinlich macht, scheint vieles zu sprechen. So liegen die Altersangaben, die sich für Schmerlen oder schmerlenähnliche Fische finden, fast immer in Bereichen, bei denen wir sagen würden, dass Fische sehr alt geworden sind. Die 22 Jahre der Prachtschmerle werden dabei zwar nicht überboten, aber auch 17 oder 19,5 Jahre für den oben erwähnten Feuerschwanz, Epalzeorhynchus bicolor, oder 12 Jahre für Pangio kuhli, das Dornauge, sind sehr beachtlich. Die Saugschmerle, Gyrinocheilus aymonieri, soll bis zu 21 Jahre erreichen..

Auch unter den Welsen oder Welsartigen finden sich überwiegend Arten, die ein recht beachtliches Alter erreichen und Angaben von mehr als 10 Jahren sind außer bei den kleiner bleibenden Panzerwelsen der Gattung Corydoras die Regel. Für Ancistrus dolichopterus, den Blauen Antennenwels findet sich sogar eine Altersangabe von 30 Jahren, die ein Exemplar erreicht hat. Für Fiederbartwelse der Gattung Synodontis, z.B. den Rückenschwimmenden Kongowels, finden sich mehrfach Angaben, dass Tiere zwischen 10 und 20 Jahren alt geworden sind. Schmerlen und Welse scheinen also tatsächlich im Durchschnitt ein höheres Lebensalter erreichen zu können. Für Killifische und für Lebendgebärende Zahnkarpfen finden sich dagegen keine Berichte, die darauf hinweisen würden, dass die Arten aus diesen Familien regelmäßig älter als 5 oder 6 Jahre werden könnten. Ein Hinweis auf Guppys, die neun Jahre erreicht haben, muss als Ausnahme betrachtet werden.

Salmler und Buntbarsche

Sehr unterschiedliche Altersangaben finden sich für Arten aus diesen beiden Fischfamilien. Dies verwundert vielleicht nicht zu sehr, weil die Gruppen sehr umfangreich sind, und zu den besonders beliebten, besonders häufig gepflegten, und damit auch vielleicht zu den besser beobachteten Aquarienfischen zählen. Die Spanne der Beobachtungen reicht bei den Salmlern von 2 Jahren, die die kleinen Ziersalmler der Gattung Nannostomus erreichen, bis zu mehr als 22 Jahren, wie sie für eine Kopfsteher-Art, Anostomus trimaculatus, gemeldet werden. Für häufige Aquarienfische liegen die Angaben meist zwischen 5 bis 6 Jahren, die wahrscheinlich typisch sind für Arten der Gattung Hyphessobrycon, also z.B. Schmucksalmler, Rosensalmler und Blutsalmler und dem hohen Alter von 12 Jahren, das für den Roten Neon, Paracheirodon axelrodi, berichtet wird. Der Trauermantelsalmler, Gymnocorymbus ternetzi, liegt mit 10 Jahren zwischen diesen Arten. Auch für Buntbarsche gibt es mit 3,5 Jahren für Zwergbuntbarsche der Gattung Apistogramma bis zu 18 Jahren für den Tanganjika-Beulenkopfbuntbarsch, Cyphotilapia frontosa, eine große Spannweite der berichteten Lebensalter. Einen kräftigen Stirnbuckel entwickeln viele Buntbarsche  erst, wenn sie „in die Jahre gekommen“ sind.

Für verschiedene Arten aus unterschiedlichen Familien finden sich noch einige interessante Altersangaben. Manche Regenbogenfischarten werden erst im fortgeschrittenen Alter richtig hochrückig und farbenprächtig.

Dabei sollen Regenbogenfische der Art Melanotaenia boesemani, etwa 10 Jahre alt werden, ebenso wie auch Labyrinthfische wie Trichogaster leeri, der Mosaikfadenfisch. Das Alter eines Flösselhechts, Polypterus ornatipinnis, wird mit 30 Jahren angegeben, eindeutig die Rekordhalter unter den „Zierfischen“ dürften aber Koikarpfen sein, für die Angaben von 70 bis 80 Jahren als belegt gelten dürfen.

 Altersbestimmung bei Kaltwasserfischen

Die Schuppen von Fischen, die in Wasser leben, dessen Temperatur jahreszeitlich bedingt stark schwankt, wachsen entsprechend unterschiedlich stark und bilden "Jahresringe", ähnlich wie wir dies von Bäumen her kennen. Auf diese Weise läßt sich das Alter solcher Fische einigermaßen zuverlässig bestimmen, auch wenn das Schuppenwachstum noch durch andere Faktoren beeinflußt wird. Tropische Fische und besonders Fische im Aquarium sind aber stets weitgehend gleichbleibenden Temperaturen ausgesetzt, sodaß bei ihnen solche Schuppenringe nicht entstehen und nicht zu einer Altersbestimmung genutzt werden können. Darüber hinaus ist natürlich auch die geringe Größe dieser Fische und entsprechend ihrer Schuppen, ein Hindernis bei der Zählung solcher "Jahresringe".

Fische, die vergreisen

An welchen äußeren Anzeichen aber macht es sich bemerkbar, dass ein Fisch alt wird, ja vergreist? Auch wenn wir das genaue Alter nicht wissen, lässt sich das hohe Alter eines Fisches und der herannahende Alterstod bereits vorher an Aussehen und Verhalten feststellen. Fische, die sich regelmäßig fortgepflanzt haben, und die Vermehrung ohne Veränderung der äußeren Bedingungen dauerhaft einstellen, sind wahrscheinlich „in die Jahre gekommen". Oft werden sehr alte Tiere einen deutlich geringeren Bewegungsdrang zeigen als das junge Fische tun. Häufig findet sich im hohen Alter eine Verkrümmung der Wirbelsäule und die Farben der Fische verblassen, sie werden tatsächlich grau. Kurz vor dem Alterstod wird ihre Schwimmweise unsicher, sie taumeln und häufig zeigen sie Krämpfe, bei denen sich der Körper bogenförmig durchbiegt. Es bleibt dem Aquarianer dann nur der Trost, dass es sich in diesem Fall um einen natürlichen Tod handelt, der auch bei bester Pflege nicht zu vermeiden ist.